Wegen der kalten Progression hatten im vergangenen Jahr Millionen Beschäftigte in Deutschland trotz Gehaltserhöhung weniger Geld in der Tasche als vorher. Wie kann das sein? Mit welchen Maßnahmen will die Regierung die negativen Folgen mindern?

Die Firma zahlt eine Gehaltserhöhung und man kann sich trotzdem nicht mehr leisten als davor: Das ist, vereinfacht ausgedrückt, der Effekt der kalten Progression. Mehr als 35 Millionen Steuerpflichtige waren im vergangenen Jahr davon betroffen. Ihre Belastung lag bei durchschnittlich 273 Euro. Das geht aus einer Mitteilung des Bundestags vom November 2024 hervor. Soll heißen: Wegen der kalten Progression hatte im vergangenen Jahr die Mehrzahl der Beschäftigten in Deutschland trotz Inflationsausgleichprämie im Schnitt 273 Euro weniger zur Verfügung als davor.
Kalte Progression erhöht Steuerlast
Wer eine Lohnerhöhung erhält, rutscht in vielen Fällen in eine höhere Besteuerung. Entspricht die Lohnerhöhung der Inflationsrate, vermutet man zunächst den Erhalt des Status quo. Aber: Mit einem höheren Einkommen steigt der Steuersatz. De facto hat man dann weniger Geld in der Tasche. Das Gehaltsplus wird von der Inflation aufgefressen, die höheren Steuern werden aber fällig. Man spricht deshalb auch von einer schleichenden Steuererhöhung oder einer "Steuererhöhung durch Untätigkeit".
So soll die kalte Progression ausgeglichen werden
Im Umkehrschluss sorgt die kalte Progression für folgendes Szenario: Der Staat nimmt mehr Geld durch Steuern ein, während Steuerpflichtige trotz Lohnerhöhungen weniger Geld zur Verfügung haben. Um dem entgegenzuwirken, legt das Bundesfinanzministerium alle zwei Jahre einen Steuerprogressionsbericht vor. 2024 war es der sechste Bericht dieser Art. Als Folge davon hat der Gesetzgeber Anpassungen beschlossen, welche die kalte Progression in den Jahren 2025 und 2026 ausgleichen sollen.
Eine wesentliche Maßnahme ist die Erhöhung des Grundfreibetrags. Er steigt für den Veranlagungszeitraum 2025 auf 12.096 Euro und für 2026 auf 12.348 Euro. Ende des vergangenen Jahres war dieser bereits nachträglich für den Veranlagungszeitraum 2024 um 180 Euro auf 11.784 Euro erhöht worden. Für Ehepaare gelten jeweils die doppelten Beträge. Ebenfalls erhöht wird der Kinderfreibetrag: für 2025 auf 6.672 Euro und für 2026 auf 6.828 Euro. Auch dieser war Ende des vergangenen Jahres rückwirkend für 2024 bereits erhöht worden - um 228 Euro auf 6.612 Euro. Zudem wurde das Kindergeld zum 1. Januar 2025 um 5 Euro auf jetzt 255 Euro pro Monat und Kind angehoben. Für 2026 steigt es dann auf 259 Euro.
Die Einkommensteuertarife werden angepasst
Darüber hinaus werden die Eckwerte des Einkommensteuertarifs für 2025 und 2026 verschoben. Durch diese Maßnahme verringert sich der Steuersatz für Steuerpflichtige. Für das Vorstandsmitglied des Lohnsteuerhilfevereins Vereinigte Lohnsteuerhilfe e. V. (VLH) Uwe Rauhöft eine absolut notwendige Maßnahme: "Eine fehlende Anpassung des Steuertarifs wäre eine Steuererhöhung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer." So beginnt der Spitzensteuersatz von 42 Prozent in diesem Jahr für Alleinstehende erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 68.481 Euro. Im Vorjahr war das bereits ab 66.761 Euro der Fall. Unverändert bleibt hingegen der Eckwert für die sogenannte Reichensteuer: Der Steuersatz von 45 Prozent beginnt wie schon im Vorjahr bei einem zu versteuernden Einkommen von 277.826 Euro.
Bereits vor den Entscheidungen im Dezember 2024 war beschlossen worden, dass die Freigrenze, bis zu der kein Solidaritätszuschlag bezahlt werden muss, weiter steigt. Nur noch Besserverdienenden ab einer zu zahlenden Einkommensteuer von mehr als 19.950 Euro wird ab 2025 noch Soli vom Gehalt abgezogen. 2026 steigt die Grenze auf 20.350 Euro. Im vergangenen Jahr hatte sie bei einer tariflichen Einkommensteuer von 18.130 Euro gelegen.